Bildung und Fundorte
Man unterscheidet nach Ursprungsort, Alter und der produzierenden Pflanze verschiedene Arten von Bernstein.
Die bekannteste Fundregion des Bernstein in Europa ist der gesamte Ostseeraum; insbesondere Orte auf der Samland-Halbinsel (Königsberg, Russland) zwischen Frischem und Kurischem Haff, in Polen und den baltischen Republiken sind ergiebig. Der Baltische Bernstein (Succinit) ist vor ca. 65–70 Millionen Jahren aus dem Harz der Bernsteinkiefer entstanden und eignet sich besonders gut zur Schmuckherstellung. Keine andere Bernsteinart wird in annähernd so großer Menge und gleich bleibender Qualität wie der Baltische Bernstein gefunden. Die größte, im Tagebau erschlossene Lagerstätte befand sich bis 2002 bei Jantarny (Palmnicken) an der Bernsteinküste bei Kaliningrad (Königsberg). Aber auch in Mecklenburg-Vorpommern und sogar im zwischenzeitlich rekultivierten Tagebau Goitzsche bei Bitterfeld (Sachsen-Anhalt) wurde zu Zeiten der DDR Baltischer Bernstein systematisch abgebaut. Die Ostsee-Vorkommen erwähnte schon Tacitus in seiner Germania. Er sprach vom Volk der „Aesti“, das mit Bernstein handele.
In Tschechien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine gibt es ebenfalls Bernsteinvorkommen. Am bekanntesten sind hier der Mährische Bernstein, der Rumänische Bernstein (Rumänit) und der Ukrainische Bernstein, die jeweils ca. 100 Millionen Jahre alt sind.
An der niederländischen, deutschen und dänischen Nordseeküste, im dänischen Jütland (Jütländischer Bernstein), auf den dänischen Inseln sowie an der schwedischen Küste kann Bernstein nach Stürmen von Strandgängern gefunden werden. In Deutschland gibt es auch größere binnenländische Vorkommen in märkischen Gebieten – z. B. im Naturpark Barnim zwischen Berlin und Eberswalde (Brandenburg). Man fand sie in Talsandflächen des nach Thorn ziehenden Urstromtales bei Regulierungen und Kanalbauten. Allerdings ist dieses Vorkommen heutzutage größtenteils erschöpft. Archäologen vermuten nahe der Grenze zum heutigen Polen ein historisches Handelszentrum.
Sowohl in der Schweiz als auch in Österreich und Frankreich sind Bernsteinvorkommen bekannt. Bernstein aus den Schweizer Alpen ist ca. 55–200 Millionen Jahre alt, solcher aus Golling ca. 225–231 Millionen Jahre. Der bekannte Sizilianische Bernstein (Simetit) ist hingegen vor 10–20 Millionen Jahren entstanden.
In Afrika findet man Kopal an den Küstenländern Ost- und Westafrikas, vor allem aber auf Madagaskar. Dieser so genannte Madagaskar-Bernstein ist allerdings erst 1.000–10.000 Jahre alt und besteht aus dem erstarrten Harz der Bernsteinpinie. In Nigeria findet sich auch Bernstein, der ca. 60 Millionen Jahre alt ist.
Amerikas bekanntester Bernstein ist der durch seine Klarheit und seinen Reichtum an fossilen Einschlüssen begehrte Dominican Amber aus der Dominikanischen Republik. Er ist vor 35 Millionen Jahren aus dem Laubbaum Algarrobo (Prosopis pallida) entstanden.
In Asien findet man Bernstein vor allem im vorderen Orient und in Myanmar (früheres Birma/Burma). Der Libanon-Bernstein ist ca. 130–135 Millionen Jahre und der Burma-Bernstein (Burmit) ca. 50 Millionen Jahre alt.
Bernsteine des australisch-ozeanischen Raums kann man in Neuseeland und auf Borneo (Sawak-Bernstein) finden. Sie sind ca. 20–60, teilweise 70–100 Millionen Jahre alt.
Die ältesten Bernsteine sind sporadisch aus dem Devon bekannt.
Die Entstehung des Baltischen Bernsteins
Der Baltische Bernstein oder Succinit ist der bedeutendste und am besten erforschte Bernstein. Man findet ihn an den Küsten der Ost- und Nordsee und in Samland in der „Blauen Erde“. Der Baltische Bernstein ist im Alt-Tertiär vor ca. 40–50 Millionen Jahren im Gebiet von Mittelschweden/Finnland entstanden. Damals erstreckte sich der so genannte Bernsteinwald in einem breiten Gürtel von Ost nach West bis an die Küste. Deren Verlauf war jedoch anders als heute, so dass das Areal des heutigen Dänemarks, Südschwedens und Norddeutschlands von Wasser bedeckt war, während das heutige Polen und Norwegen durch eine Küstenlinie etwa auf dem Verlauf des heutigen Oder-Flusses verbunden waren. Die Ostsee selbst entstand erst wesentlich später. So ist zu erklären, dass der Baltische Bernstein auch an der heutigen Nordseeküste zu finden ist.
Der Succinit entstand, indem das Harz aus so genannten Bernsteinkiefern (Pinus succinifera) nach vorheriger Verletzung der Rinde strömte, eintrocknete und erhärtete.
Die Kiefernwälder versanken vor ca. 40–50 Millionen Jahren auf Grund von großen Klima- und Standortveränderungen in Sümpfen. Bei ansteigendem Meeresspiegel lockerten Wellen und Strömungen den überfluteten Waldboden auf, spülten das alternde Harz heraus und lagerten es an unterschiedlichen neuen Stellen ab. Große Mengen Bernstein wurden durch eine besonders starke Strömung in eine Bucht transportiert, die sich von der Samlandküste bis westlich von Danzig erstreckt. Er setzte ab und wurde von tonigem Substrat, Sand und Gesteinsschichten bedeckt. Die Sedimente verdichteten sich später zur „Blauen Erde“. Dabei entstand Braunkohle mit darin eingeschlossenem Harz, das sich unter dem Druck und Luftabschluss entwässerte. Dieser Prozess führte zur Oxidation der organischen Kohlenstoffmoleküle. Mit der Zeit bildete sich aus dem Harz so der Bernstein. Auf diese ergiebige Lagerstätte im Ostbaltikum lassen sich letztlich alle Bernsteinfunde Nordeuropas zurückführen, insbesondere aber entlang der „Bernsteinküste“.
Die Verbreitungs- und Fundgebiete des Succinits stehen in Zusammenhang mit den massiven eiszeitlichen Um- und Ablagerungen. Innerhalb der letzten Million Jahre erfuhr der Baltische Bernstein die größten Umlagerungen. Drei Eiszeiten, die Elster-, Saale- und zuletzt die Weichseleiszeit überfuhren das heutige Ostseebecken und das nördliche Mitteleuropa mit ihren Gletschern von Nordosten her und erfassten sowohl Bernsteinablagerungen als auch beispielsweise Ablagerungen aus der Kreidezeit. Erdschollen, Gesteins-, Sand- und Schuttmassen sowie große Steine transportierte das Eis bis nach Dänemark und ins norddeutsche Tiefland. Die meisten Lagerstätten von Bernstein befinden sich in Sedimenten, die vor ca. 40 Millionen Jahren mit Meerwasser in Berührung waren. Selten wird Bernstein in fossilem Waldboden entdeckt.
Bernstein-Einschlüsse: Inklusien
Im erstarrten Harz des Bernsteins finden sich konservierte Lebensformen, die vor Millionen von Jahren auf der Erde in Wäldern gelebt haben:
Zum einen findet man Kleintiere oder Teile davon als Einschlüsse: verschiedene Gliederfüßer (Arthropoden), vor allem Insekten wie Fliegen, Mücken, Libellen, Ohrwürmer, Termiten, Heuschrecken, Zikaden und Flöhe, aber auch Asseln, Krebstiere, Spinnen und Würmer sowie vereinzelt Schnecken, Vogelfedern und Haare von Säugetiere. Sogar eine eingeschlossene Eidechse wurde gefunden.
Zum anderen gibt es eine Vielzahl von pflanzlichen Inklusien: Pilze, Moose und Flechten, aber auch Pflanzenteile, die von Lärchen, Fichten, Tannen, Palmen, Zypressen, Eiben und Eichen stammen. Manchmal werden auch Inklusien mit Wassertropfen oder Lufteinschlüssen entdeckt.
Obwohl die Artenvielfalt in der Zeit, als der Bernstein entstand, relativ groß war, sind Inklusienfunde selten. Nur etwa jedes 500. Bernsteinstück hat einen Einschluss, wobei in den Funden oft nur Fragmente der eingeschlossenen Lebewesen vorliegen. In Schlaubensteinen aus Baltischem Bernstein sind Einschlüsse so häufig, dass man in jedem zwanzigsten fündig werden kann, wenn sie nicht vorher schon durchsucht wurden. Häufig sind die Inklusien auch beschädigt. Deshalb sind Stücke mit vollständig erhaltenen Zeugnissen des damaligen Lebens wissenschaftlich besonders wertvoll.
Entstehung
Damit Harz zu Bernstein und ein eingeschlossenes Lebewesen oder ein Fremdkörper zur Inkluse wird, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Das Insekt (oder die Pflanze) muss formstabil bleiben, bis das Harz erhärtet ist.
- Das Harz darf während des Erhärtens nicht schrumpfen und auch nicht durch später auflastende Gesteine beansprucht werden.
- Das Harz muss durch Sonnen- und Hitzeeinwirkung auf natürliche Weise geklärt werden.
Ist das Insekt von nachfließendem Harz umschlossen, beginnt der Abbau der Weichteile in seinem Körperinneren. Dabei treten Muskeln, Drüsen und Körperflüssigkeit durch Körperöffnungen und Körperwandung aus. Deshalb ist die Umgebung der Inklusien häufig milchig-trübe. Mit der Zersetzung der Weichteile setzt bereits die Erhärtung des Harzes ein. Sind diese Prozesse beendet und ist das Harz im Waldboden eingebettet, so wird nach Millionen von Jahren das Harz zu Bernstein und das Insekt zur Inkluse.
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